Transformative Kraft für ländliche Räume: Warum es sich lohnt, Leerstände zwischenzunutzen – Teil 1

Zwischennutzungen können nicht nur in dicht besiedelten Großstädten mit Mangel an bezahlbarem Raum neue Gestaltungsräume schaffen, sondern auch in ländlichen Regionen neue Impulse für belebte Innenstädte und Regionalentwicklung setzen.

Zwischennutzungen können nicht nur in dicht besiedelten Großstädten mit Mangel an bezahlbarem Raum neue Gestaltungsräume schaffen, sondern auch in ländlichen Regionen neue Impulse für belebte Innenstädte und Regionalentwicklung setzen. Deshalb bauen wir unter dem Namen “PopUp Prignitz – Agentur für Freiräume” seit letztem Jahr gemeinsam mit dem Technologie- und Gewerbezentrum Prignitz eine regionale Zwischennutzungsagentur für den Landkreis Prignitz auf. 

Bislang gelten Zwischennutzungen für Immobilienbesitzer:innen aus ökonomischer Sicht jedoch noch häufig als Vermietung “zweiter bis dritter Klasse” oder, im Falle von Steuervergünstigungen durch leerstehende Räumlichkeiten, auch als gänzlich ökonomisch sinnlos. Darüber hinaus haftet ihnen aufgrund von Unsicherheiten bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen, Vorbehalten aus Zeiten der Hausbesetzer:innen-Szene oder der Befürchtung vor hohen Aufwänden ein eher negatives Bild an.

Doch unter sozial-kulturellen, ökologischen sowie ökonomischen Gesichtspunkten können Zwischennutzungen von großem Mehrwert für Kommunen sein. Und auch für Eigentümer:innen gibt es, entgegen der gängigen Vorurteile, viele Anreize.

Warum sich Zwischennutzungen für Eigentümer:innen lohnen

  • Verhinderung von Verfall und Schäden durch Vandalismus

Fakt ist: Leerstehende Immobilien, die nicht beheizt und gepflegt werden, sind anfälliger für Schäden und verfallen schneller. Durch Zwischennutzungen können Immobilien, die dauerhaft oder für einen gewissen Zeitraum leer stehen, bis zur nächsten langfristigen Nutzung oder Vermietung Instand gehalten werden. Die Nutzer:innen vor Ort erwecken damit nicht nur leerstehende Räume zu neuem Leben, sondern übernehmen gleichzeitig und je nach Absprache eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Kümmererfunktion. Damit kann die Bausubstanz geschützt und langfristig erhalten werden. Denn durch die Zwischennutzung wird die Immobilie genutzt, beheizt und – durch Kunden oder eigenes Wohnen – frequentiert. Doch nicht nur das: Belebte Räume sind weitaus weniger anfällig für eingeschlagene Fenster und Ähnliches. Daher ist ein positiver Nebeneffekt einer Zwischennutzung immer auch der Schutz vor Vandalismus. 

  • Finanzielle Vorteile und Wertsteigerung 

Auch wenn die finanziellen Einkünfte aus Zwischennutzungen nicht vergleichbar mit regulären Mieteinnahmen sind, so können doch auch finanzielle Gewinne aus der Zwischennutzung erwartet werden. Denn während im Falle von Leerstand keine Einnahmen generiert, aber gleichzeitig laufende Kosten getätigt werden müssen, kann eine Zwischennutzung finanziellen Ausgleich schaffen – beispielsweise durch die Übernahme laufender (Betriebs-)kosten durch den oder die Zwischennutzer:in. Wird darüber hinaus noch eine Nutzungsgebühr durch die Zwischennutzenden bezahlt, ergeben sich finanzielle Gewinne für die Eigentümer:innen. 

Auch Brachflächen können mit laufenden Kosten wie beispielsweise Grundsteuer, Verkehrssicherung, Kosten für Ver- und Entsorgung oder weiteren flächenbezogenen Kosten verbunden sein . Auch hier lohnt sich also die Zwischennutzung für den oder die Eigentümer:in, indem diese Grundkosten beispielsweise von der zwischennutzenden Partei übernommen werden. (Institut für Bodenmanagement: “Der Einfluss von Zwischennutzungen auf den Verkehrswert und die Wirtschaftlichkeit von Immobilien”, 2008)

Neben den direkt finanziellen Gewinnen während der Zwischennutzung kann sich die Zwischennutzung für Eigentümer:innen vor allem auch aufgrund der Abwendung einer Wertminderung durch längerfristigen Leerstand der Immobilie lohnen. Während Leerstand ein Objekt häufig weniger attraktiv macht, kommt durch die Zwischennutzung die Chance hinzu, dass die Fläche oder die Immobilie durch die Zwischennutzung eine neue positive Ausstrahlung erhält und an Wert gewinnt. Diese Wertsteigerung kann im Nachgang bei Neuvermietung finanzielle Gewinne für den oder die Vermieter:in bedeuten. Auch kann sich mittel- und langfristig durch die Zwischennutzung eine Lageverbesserung der Straße, des Quartiers oder Stadtviertels einstellen, welche sogar den Verkehrswert der umliegenden Einzelgrundstücke oder Gebäude anhebt. 

Darüber hinaus bietet die Zwischennutzung Eigentümer:innen die Möglichkeit, neue Nutzungsarten für leerstehende Flächen ohne hohe Kosten und Risiken auszuprobieren, indem sie sich auf die neuen Konzepte der Zwischennutzenden einlassen. Dadurch ergeben sich möglicherweise neue Chancen für eine leichtere und nachhaltigere Langzeitvermietung..

  • Steigerung der öffentlichen Aufmerksamkeit der Immobilie und Möglichkeit zur längerfristigen Vermietung

Durch Zwischennutzungsprojekte können leerstehende Immobilien wieder ins Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt werden: Mediale Berichterstattung, tatsächliche Frequentierung von Ladengeschäften oder die Nutzung der Immobilie als Treffpunkt neuer Zielgruppen wie Kreativer, Startups oder Engagierter können für Öffentlichkeit und neues Interesse sorgen. So manche Zwischennutzung konnte so sogar zu einem wahren Leuchtturmprojekt mit überregionaler Strahlkraft werden. Mit der gesteigerten Aufmerksamkeit erhöht sich zudem die Chance, mit möglichen neuen langfristigen Mieter:innen in Kontakt zu treten. Seien es die Zwischennutzenden selbst, die die Zwischennutzung quasi als Testlauf für eine längerfristige Nutzung oder Nachnutzung ausprobieren wollen, oder neue Mieter:innen, die durch die Zwischennutzung das Potenzial der Immobilie für ihre eigenen Projekte erkennen.

Warum sich Zwischennutzungen für Anbieter:innen/Zwischennutzende lohnen

  • Risikoarmes Austesten des Geschäftsmodells

Durch die besonderen Konditionen eines Zwischennutzungsverhältnisses haben Zwischennutzende im Vergleich zu klassischen Mietverträgen eine unmittelbare Kostenersparnis. Durch die vergünstigten und temporär befristeten Konditionen der Zwischennutzung ist ein risikoarmes Ausprobieren von neuen Geschäftsideen mit geringem Investitionsvolumen möglich. Das Austesten neuer Produkte oder Konzepte am Markt kann so unter realen Bedingungen, aber ohne große finanzielle Risiken ausprobiert werden. Zwischennutzungen können damit als “Generatoren für Innovation” gelten: Sie bieten einen risikoarmen Raum für Experimente und ermöglichen einen neuen Umgang mit Unsicherheit.

  • Gewinnsteigerung durch öffentliche und mediale Aufmerksamkeit sowie Erschließung neuer Zielgruppen 

Durch die Nutzung von Räumlichkeiten auf Zeit (“Pop-Up”) wird die Aufmerksamkeit gezielt auf das neue Angebot gelenkt. Dies kann eine erhöhte Resonanz sowohl bei der potenziellen Kundschaft vor Ort, als auch bei den lokalen Medien auslösen, da nur temporär Verfügbares häufig einen größeren Reiz hat als Angebote, die dauerhaft verfügbar sind. Auch können durch die Eröffnung eines Präsenzangebotes neue Zielgruppen erschlossen werden. Und auch für die Kommunikation und Bindung mit bereits gewonnenen Zielgruppen bietet die Zwischennutzung einen Vorteil – denn nun sind über das Online-Angebot hinaus auch persönliche Kontakte möglich. Als Beispiel hierfür kann “Secondvintage” gelten, ein Ladengeschäft, das sich durch die Initiative HANAU aufLADEN von einem reinen Onlineshop über einen PopUp-Store zum dauerhaft funktionierenden Ladengeschäft entwickelt hat.

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