Leerstehende Räume nutzen, neue Räume schaffen: Wie Zwischennutzungsagenturen neues Leben in leere Räume bringen – Teil 1

Seit rund einem Jahr bauen wir gemeinsam mit dem TGZ Prignitz eine regionale Agentur für Zwischennutzungen auf: “PopUp Prignitz – Agentur für Freiräume”. Grund genug, einen Blick auf all die Menschen und Initiativen zu werfen, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, um Leerstände aufzuspüren, zu sichten und zur temporären Nutzung an Interessierte zu vermitteln.

Die Frage nach dem Warum: Über die Entstehung von Zwischennutzungsagenturen

Raumbedürfnisse können zunehmend nicht mehr bedient werden

Zahlreiche Städte werden seit Jahren nachverdichtet, werden immer enger, voller und zeigen massive Immobilienpreissteigerungen. Gleichzeitig besteht nach wie vor ein Bedürfnis von Bürger:innen und Initiativen nach Freiräumen, welches durch diese Entwicklungen nicht (mehr) befriedigt werden kann – insbesondere in größeren Städten. Kulturschaffende sind auf der Suche nach Ateliers, Probe- und Ausstellungsräumen, Startups und Selbstständige suchen nach Büros, kleinen Ladengeschäften oder Coworking-Möglichkeiten und sozialen Initiativen und Vereinen fehlen die Räumlichkeiten, um an ihren Projekten zu arbeiten. 

Neue Angebote für lebendige Innenstädte benötigt

Auf der anderen Seite führen gesellschaftliche Veränderungen – Online-Shopping und die zunehmende Verlagerung ins Digitale, Veränderungen der Arbeitswelt wie Homeoffice und Remote Work und nicht zuletzt die Corona Pandemie – vermehrt zu Leerständen in Innenstädten. Und hier fehlt es gerade in kleineren und mittleren Städten häufig an lebendigen Strukturen und neuen Angeboten für Gastronomie und Handel. Verschärft wird das Problem durch den Strukturwandel einiger ländlicher Räume, der neue Anforderungen mit sich bringt. Und gleichzeitig zeigt sich, ebenfalls verstärkt durch die Erfahrungen aus der Pandemie, eine neue Lust zahlreicher Anwohner:innen, ihren wohnortnahen Raum mitzugestalten (Lüber 2015) sowie der Wunsch nach individuellen Gestaltungsspielräumen, in denen sich alternative Lebensstile und Subkulturen ausleben lassen (ZwischenZeitZentrale Bremen). 

Die Lösung des Dilemmas: Zwischennutzungsagenturen

Eine Lösung, wie neue Räume zu denen kommen könnten, die sie benötigen, bieten Zwischennutzungsagenturen. Denn trotz Nachverdichtung haben wir eigentlich nicht zu wenig Raum in unseren Städten: Die Flächen seien immer noch da, nur fehle uns häufig der Zugriff darauf, so Michael Ziehl, Architekt, Stadtplaner und Mitbegründer von Leerstandsmelder.de, einem Online-Datenpool für leerstehende Immobilien (Lüber 2015).

Zwischennutzungsagenturen aktivieren Leerstände und Brachflächen nach dem Prinzip „vergünstigter Raum gegen befristete Nutzung“ und schaffen so ideale Bedingungen für einen positiven Wandel für alle: für Eigentümer:innen, für Kreative, Vereine, Startups und sonstige Nutzer:innen sowie für die Entwicklung von Städten und ländlichen Räumen insgesamt. Die ZwischenZeitZentrale Bremen bringt es auf folgende Formel:

“Leerstand, Brache + Idee – geringe Miete = Instandhaltung der Immobilie + Berufschance + Belebung”

Doch nicht nur für Privatpersonen, Eigentümer:innen und Stadtentwicklung zeigen Zwischennutzungen zahlreiche Vorteile (die wir in diesem Blogartikel festgehalten haben), sondern auch im Sinne der Nachhaltigkeit und der fortschreitenden Klimakrise sollte die (temporäre) Nutzung von Leerstand Neubau noch viel häufiger vorgezogen werden. Denn Zwischennutzungen vermeiden Versiegelung und verbrauchen weniger Ressourcen. Und tragen damit zu dem kürzlich erst verfehlten Ziel des Klimaschutzplans der Bundesregierung bei – der Reduzierung des Flächenverbrauchs pro Tag von 56 ha auf 30 ha (Deutscher Bundestag 2021).

Gestiegene Bedarfe für Zwischennutzungsagenturen

Bereits Anfang 2000 etablierten sich Zwischennutzungsagenturen in Großstädten und zahlreiche ähnliche Konzepte wie die Wächterhäuser in Leipzig – entstanden 2004 – nahmen ihren Anfang. Die ZwischenZeitZentrale in Bremen war wohl ebenfalls eine der ersten Zwischennutzungsagenturen, die bereits 2009 auf ein Vorläuferprojekt aufbaute, das in einer Region am Bremer Hafen das Konzept von Zwischennutzungen von Brachflächen erprobte. Durch ein von der Nationalen Stadtentwicklungspolitik gefördertes Programm konnte die ZwischenZeitZentrale als Pilotprojekt starten, vermittelt bis heute Leerstände und Freiflächen und initiiert mittlerweile auch selbst Projekte in Leerständen. 

Bis heute zeigt sich eine steigende Anzahl an Agenturen und Projekten, wie beispielsweise zuletzt 2021 das Förderprogramm „Frei_Fläche: Raum für kreative Zwischennutzung“ in Hamburg oder die aktuelle Planung einer Zwischennutzungsagentur in München – denn dort “werden “Räume und vor allem Freiräume für junge Menschen weiter dringend benötigt”, so Stadtrat David Süß, Die Grünen – Rosa Liste (Nachrichten München, Mai 2022).

Finanziell steht hinter Zwischennutzungsagenturen häufig eine städtische oder überregionale öffentliche Förderung: meist aus dem Kulturamt, Stadtplanungsamt oder Geldern zur Innenstadtentwicklung oder Wirtschaftsförderung. Zumindest die Initiierung der Agentur gelingt meist nur mithilfe einer (öffentlichen) Förderung – zumal die Agenturen im Normalfall nicht gewinnorientiert arbeiten. Jedoch klagen zahlreiche Zwischennutzungsagenturen über mangelndes Personal aus der Förderung: Meist wird maximal eine volle Stelle für einen begrenzten Zeitraum von einigen wenigen Jahren gefördert, die häufig nicht ausreiche, um den vielfältigen Anforderungen gänzlich nachzukommen. Daneben ist es auch die wissenschaftliche Evaluierung und Aufarbeitung der Projektergebnisse, für die oftmals keine finanziellen Mittel vorhanden sind.  

Hier geht’s weiter zu Teil 2 unseres Beitrags über Zwischennutzungsagenturen – Wie arbeiten Zwischennutzungsagenturen konkret? Wo gibt es bereits Zwischennutzungsagenturen? Und wie steht es um unsere eigene Zwischennutzungsagentur PopUp Prignitz?

Quellen:

Deutscher Bundestag: “Flächenverbrauch: Bundesregierung verfehlt 30-Hektar-Ziel”, 01. Februar 2021. Digital: https://www.bundestag.de/presse/hib/820154-820154#:~:text=Das%20im%20Klimaschutzplan%202050%20der,dem%20Jahr%202000%20etwa%20halbiert  

Lüber, Klaus: “Zwischennutzung von Immobilien”, 2015. Digital: https://www.goethe.de/ins/nz/de/kul/mag/20490709.html

Nachrichten München: „Kulturelle Zwischennutzung in Berg am Laim ermöglichen“, 20. Mai 2022. Digital: https://www.nachrichten-muenchen.com/kulturelle-zwischennutzung-in-berg-am-laim-ermoeglichen/171836/