Das Potenzial von Nutzungsdaten für digitale Bürger:innen-Beteiligungsprojekte
In dem Forschungsprojekt “Digitale Bürger:innen-Beteiligung in Kleinstädten" haben wir uns genauer mit der Auswertung von Nutzungsdaten digitaler Beteiligungsplattformen in ausgewählten Kleinstädten beschäftigt und dabei festgestellt: hier liegt viel ungenutztes Potenzial. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen dieser Daten und ihre Bedeutung für die Steuerung zukünftiger Bürger:innen-Beteiligungsprojekte.
Nutzungsdaten entstehen bei jedem digitalen Beteiligungsprojekt: angefangen mit Anzahl und Zeitpunkt der Seitenaufrufe, über Aufenthaltsdauer und Zugriffsorte auf die Seite bis hin zu demografischen Daten der Nutzenden – sofern sie erhoben werden. Diese Daten können eine wertvolle Quelle für die Auswertung und Interpretation von durchgeführten Beteiligungsaktionen, aber auch für die Steuerung zukünftiger digitaler Bürger:innen-Beteiligungsprojekte sein.
Fast alle Beteiligungsplattformen erheben Zugriffszahlen und -zeitpunkte, sowohl auf die Startseite als auch auf die Seiten einzelner Beteiligungsprojekte. Mit diesen Daten ist es bereits möglich, eine zeitliche Verknüpfung von Beteiligungszahlen mit externen Einflussfaktoren wie Öffentlichkeitsarbeit oder Social-Media-Aktionen herzustellen. So kann ermittelt werden, ob bestimmte Marketingmaßnahmen einen Anstieg der Beteiligungszahlen bewirken. Ein konkretes Beispiel aus dem Projekt zeigte uns durch die Analyse der Seitenaufrufe einer Umfrage, dass es eine signifikante Zunahme der abgegebenen Stimmen nach einem bestimmten Wochenende gab. Im Gespräch mit der Beteiligungsbeauftragten hat sich herausgestellt, dass an diesem Wochenende ein Stadtfest stattfand und die Beteiligungsaktion wahrscheinlich durch Mundpropaganda beworben wurde und es so zu dem Beteiligungsanstieg kam. Diese Information kann für die Planung zukünftiger Öffentlichkeitsarbeit sehr wertvoll sein.
Einige Beteiligungsplattformen gehen noch einen Schritt weiter und bieten umfassende Informationen zu Websiteaufrufen an, darunter Aufenthaltsdauer, Zugriffsorte, Aktionen und mehr. Solche detaillierten Daten erlauben eine tiefergehende Analyse der Plattformnutzung. Zum Beispiel kann über den Zugriffsort festgestellt werden, aus welchen Gemeinden einer Kleinstadt die Teilnehmer:innen einer Beteiligungsaktion stammen und so die Betroffenheit der Teilnehmer:innen nachverfolgt werden: Sind es vorwiegend Anwohner:innen des Neubaugebiets, die sich an der Bürger:innenbefragung beteiligt haben? Darüber hinaus können auffällige Konzentrationen nachverfolgt werden: Hat sich eine Nachbarschaft zusammengetan, um ein Projekt voranzutreiben oder zu verhindern? Natürlich lässt sich nicht davon ausgehen, dass die Teilnehmenden immer von ihrem Wohnort aus an einem Angebot teilnehmen, dennoch lassen sich Tendenzen ablesen.
Besonders aussagekräftig sind die demografischen Daten der Teilnehmer:innen. Plattformen, die eine Registrierung erfordern, können hier zusätzliche Informationen abfragen. Diese Pflichtangaben bei der Registrierung können meist von der Kommune bestimmt werden und ermöglichen es, Ergebnisse der Beteiligungsprozesse nach unterschiedlichen personenbezogenen Faktoren auszuwerten. So kann beispielsweise nachverfolgt werden, ob die anvisierte Zielgruppe einer Beteiligungsaktion auch wirklich erreicht wurde: In welchem Alter waren beispielsweise die Teilnehmer:innen der Ideensammlung zur Entwicklung einer neuen Parkanlage mit Spielplatz?
Trotz der vielen Potenziale gibt es auch Herausforderungen und Grenzen bei der Interpretation von Nutzungsdaten. So ist häufig die Datengrundlage zu gering, um aussagekräftige Schlüsse zu ziehen. Auch ist für eine gewinnbringende Auswertung der Daten eine klare Definition der Beteiligungsziele oder -strategien notwendig: Wenn zu Beginn des Beteiligungsprojekts keine Zielgruppe definiert wurde, ist eine nachträglicher Abgleich von anvisierter und erreichter ZIelgruppe hinfällig.
Eine klare Grenze hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeiten bildet auch der Datenschutz. Obwohl Tools wie Google Analytics äußerst aussagekräftige Ergebnisse liefern könnten, ist ihre Verwendung im Kontext von Beteiligungsplattformen oft nicht zulässig. Beispielsweise erhebt Google Analytics standardmäßig auch IP-Adressen, die als personenbezogene Daten betrachtet werden, da sie zur Identifizierung von Einzelpersonen führen können. Für die Auswertung von Nutzungsdaten müssen also Webanalyse-Tools, die datenschutzkonform konzipiert sind, genutzt werden.
Zudem erfordert die Analyse von Nutzungsdaten bestimmte Kompetenzen und Ressourcen seitens der Verantwortlichen, die nicht immer in ausreichendem Maße vorhanden sind. Da Beteiligungsprojekte meist eine Zusatzaufgabe zum gängigen Tätigkeitsbereich von Verwaltungsmitarbeiter:innen sind, fehlt es häufig an Zeit, sich in das Thema einzuarbeiten und die Projekte mit der notwendigen Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung auszuführen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auswertung von Nutzungsdaten ein wertvolles Instrument ist, um Bürger:innen-Beteiligungsprojekte zu evaluieren und zu verbessern. Klare Zielsetzungen, ausreichende Datengrundlagen und ausreichend Kapazitäten auf Seiten der Verantwortlichen sind jedoch essentiell, um das volle Potenzial dieser Daten zu auszuschöpfen.