Brandenburgs Mitfahrbänke: Digitalisierung als Treiber der Nutzung
In ganz Brandenburg stehen sie: Mitfahrbänke. Ein Treffpunkt für die Entstehung spontaner Mitnahmen auf gleicher Strecke. Leider werden die Bänke noch nicht in hohem Ausmaß genutzt. Um das zu ändern entsteht in Potsdam-Mittelmark ein digitaler Service zu Unterstützung der Annahme.
Standorte und Anzahl der Mitfahrbänke in Brandenburg (Stand Juni 2023; Kein Anspruch auf Vollständigkeit), Darstellung: datawrapper.de
Um die Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern, setzen viele Gemeinden auf ein einfaches Konzept: die Mitfahrbank. Die Idee ist genial und simpel. Durch das Sitzen auf der Bank wird signalisiert, dass ein Mitfahrwunsch besteht. Oft können auch gewünschte Richtungen aus einem Schilderkatalog ausgewählt und angezeigt werden. So wissen vorbeifahrende Autos, dass und wohin jemand mitfahren möchte. Hat ein vorbeifahrendes Auto das gleiche Ziel, kann die Fahrt spontan und unkompliziert geteilt werden.
Viele Gemeinden in Brandenburg haben bereits Mitfahrbänke aufgestellt. Oft beantragt eine Initiative Fördermittel und stellt einzelne Bänke auf. Häufig werden die Bänke aber auch im Rahmen größerer Projekte geplant und an vielen strategisch wichtigen Punkten im Landkreis aufgestellt, um eine Art “Mitfahrbank-Netzwerk” zu schaffen. Nach eigenen Recherchen gibt es in Brandenburg ca. 70 Bänke. Da nicht immer online über neue Bänke berichtet wird und oft auch neue Bänke hinzukommen, ist die Zahl nicht als abschließend zu bewerten. Sie zeigt jedoch, dass Mitfahrbänke eine weit verbreitete Mobilitätslösung darstellen.
Umso erstaunlicher ist es, dass die Brandenburger:innen die Bänke gar nicht kennen oder sich teilweise auf ihnen aufhalten, ohne das Schild zu beachten oder den Sinn dahinter zu erkennen. Umfragen, wie beispielsweise in Ebersberg oder im Landkreis Potsdam-Mittelmark, zeigen immer wieder, dass viele Menschen bereit sind, andere im privaten Auto mitzunehmen, wenn sie ohnehin die gleiche Strecke fahren, aber nur eine Minderheit sich vorstellen kann, von der Bank mitgenommen zu werden. Insgesamt hat fast niemand beides, das Mitnehmen und das Mitfahren, ausprobiert. Zur Erklärung dieses Phänomens können nur Vermutungen angestellt werden, da es kaum belastbare Daten über die Anzahl der über die Mitfahrbank vermittelten Fahrten oder gar über die Akzeptanz der Bänke in der Bevölkerung gibt. In einer von Fraunhofer IESE, als Teil des Modellvorhabens „Smarte.Land.Regionen“, durchgeführten Umfrage in Potsdam-Mittelmark mit 220 Teilnehmenden wurden vor allem Sicherheitsbedenken und die Ungewissheit der Abholung als Hauptgründe für die Nichtnutzung genannt.
Zur Belebung der Mitfahrbänke haben verschiedene Kommunen und Landkreise bereits unterschiedliche digitale Lösungen entwickelt. So gibt es bereits zwei Apps. Eine wird in Hürup bei Flensburg vom Verein Boben op Klima- und Energiewende e.V. eingesetzt, eine weitere in Altenpleen vom Amt Altenpleen. Weitere digitale Unterstützung gibt es in Form von Chatgruppen, Online-Karten und digitalen Zielanzeigen an der Mitfahrbank. Eine solche wird auch für den Landkreis Potsdam-Mittelmark von Fraunhofer IESE entwickelt. Ziel ist es, Sicherheitsbedenken durch eine Nutzer:innenregistrierung abzubauen und die Unsicherheit über Wartezeiten durch datenbasierte Aufbereitungen, wie z.B. die durchschnittliche Wartezeit an der jeweiligen Bank bis zur Abholung, zu reduzieren. Zusätzlich können die Bänke wieder beworben werden und ein größeres Bewusstsein für die Existenz und den Nutzen von Mitfahrbänken im Allgemeinen geschaffen werden.
Ein digitaler Service allein wird vermutlich nicht ausreichen, um die Mitfahrbank zu einer echten Mobilitätslösung zu machen. Es gibt viele Einflussfaktoren wie den Standort, die Sichtbarkeit, die Beschilderung, den sozialen Zusammenhalt in der Gemeinde sowie Vertrauen und Erfahrungen der Bevölkerung. Die Erprobung der digitalen Services mit Mitfahrbänken wird aber auf jeden Fall helfen, eine bessere Datengrundlage bezüglich der Nutzung der einzelnen Bänke zu generieren und damit auch die oben genannten Einflussfaktoren besser bewerten zu können. Eines ist jedoch klar: Das Prinzip ist einfach umsetzbar und kann eine echte Lösung für den Übergang vom Individual- zum Gemeinschaftsverkehr darstellen.
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Quellen:
Becker, Josef, et al. „Erfolgsfaktor Mitfahrbank?!: Wissenschaftliche Untersuchung der Akzeptanz und des Nutzens von Mitfahrbänken.“ (2019): Schlussbericht Mitfahrbänke 19-12-09.docx (frankfurt-university.de)
Knorr, Melanie, and Stephanie Lelanz. „Von der Mitfahrbank zur erfolgreichen Mobilitätsalternative.“ Nahverkehrs-Praxis, Ausgabe 11 (2018): 12-2018.: Umfrageauswertung Mitfahrbänke (energieagentur-ebe-m.de)
Umfrageauswertung Mitfahrbänke im Landkreis Ebersberg und der Region, Ebersberg, 2021: Umfrageauswertung Mitfahrbänke (energieagentur-ebe-m.de)
Das Modellvorhaben „Smarte LandRegionen“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat zum Ziel, ein digitales Ökosystem für ländlich geprägte Landkreise in ganz Deutschland zu schaffen. Über einen Zeitraum von vier Jahren sollen rund 20 digitale Lösungen für die ländliche Daseinsvorsorge entstehen, die später als Open-Source-Lösungen verfügbar sind. Sieben Landkreise sind als Modellregionen in die Entwicklung zentraler digitaler Dienste in den Bereichen Mobilität, Arbeit und Bildung, Gesundheit und Ehrenamt eingebunden.
Das Vorhaben wird im Rahmen des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung (BULE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Begleitet und unterstützt wird das Modellvorhaben vom Kompetenzzentrum Ländliche Entwicklung (KomLE) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).
Für die Umsetzung des digitalen Ökosystems fördert das BMEL das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE). Die Prozessbegleitung ist durch das Fraunhofern IESE beauftragt.
Weitere Informationen zum Modellvorhaben finden Sie hier