Diesmal wähl ich Land.

| von Laura Heym

In wenigen Tagen wird in ganz Europa gewählt. Keine der großen Parteien kommt umhin, zur Europawahl ihre Vision zur Förderung des ländlichen Raums im Wahlprogramm festzuschreiben. Was also fordern und planen die Parteien explizit für das Land?

Die Pläne der Parteien für den ländlichen Raum Europas

In wenigen Tagen wird in ganz Europa gewählt. Und auch wenn die politischen Entscheidungen zur Zukunft unseres Kontinents zumeist in Brüssel und den anderen Hauptstädten Europas getroffen werden, sind ländliche Regionen zunehmend Thema der politischen Diskussion. Keine der großen Parteien kommt umhin, zur Europawahl ihre Vision zur Förderung des ländlichen Raums im Wahlprogramm festzuschreiben. Was also fordern und planen die Parteien explizit für das Land?

Auf tagesschau.de werden die Positionen der großen Parteien CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, Die Linke, AfD und FDP anhand von fünf Schwerpunktthemen verglichen – “Digitalisierung” ist schon dabei; bleibt uns nur noch, die Übersicht um das Thema “Ländlichkeit” zu ergänzen. Wir haben die Wahlprogramme durchforstet und stellen im Folgenden die Positionen und Versprechen der Parteien gegenüber, die sich explizit auf das Leben und Arbeiten in ländlichen Räumen beziehen.

Für die Untersuchung haben wir – nach dem Vorbild der Tagesschau – die politischen Parteien ausgewählt, die laut ARD-DeutschlandTrend in den vergangenen sechs Monaten regelmäßig mit drei Prozent oder mehr ausgewiesen wurden. Wir geben keine Wahlempfehlung, sondern stellen lediglich eine Übersicht der Positionen zusammen. Einige Parteien haben sehr umfangreiche Programme veröffentlicht, andere fassen sich deutlich kürzer. Dementsprechend variiert unter Umständen auch der Umfang der formulierten Positionen in Bezug auf den ländlichen Raum. Trotz gründlicher Recherche wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

Hier geht’s zum Wahlprogramm-Vergleich auf tagesschau.de

CDU/CSU

CDU und CSU wollen “die Regionen institutionell stärken und ländliche Räume weiterhin fördern.” Sie betonen, dass ihr Europa “stolz auf seine Städte, Dörfer und Regionen” sei. Allgemein strebt die Union eine Stärkung ländlicher Räume und regionaler Wertschöpfungsketten an. Weil Europas Stärke in seiner Vielfalt an Regionen liege, sollen Kommunen und Regionen in Entscheidungsprozessen besonders gehört und geachtet werden. Der Ausschuss der Regionen und Kommunen soll gestärkt werden.

Land und Landwirtschaft gehören für CDU und CSU eng zusammen: Zentral sei die “heimische Landwirtschaft”, denn: “Ohne Land- und Forstwirtschaft gibt es keine starken ländlichen Räume.” Um “ländliche Kultur zu pflegen” und zu “Wachstum und Beschäftigung in den ländlichen Regionen beizutragen”, brauche es laut CDU/CSU eine “ökonomisch und ökologisch tragfähige Landwirtschaft”. Für fairen Wettbewerb innerhalb der EU seien “Direktzahlungen als Basisabsicherung für bäuerliche Betriebe” unverzichtbar. Diese sollen aber “künftig auch zielgenauer auf die regional verwurzelte, familiengeführte Landwirtschaft ausgerichtet werden und dabei kleinere und mittlere Betriebe, die bäuerliche Tierhaltung und junge Landwirte stärker fördern.”

Hier geht’s zum Europa-Wahlprogramm von CDU/CSU

SPD

Die SPD setzt sich für eine deutliche Stärkung des ländlichen Raums ein. Um ihn “insbesondere für junge Menschen und Familien attraktiv zu halten”, müsste die “technische und soziale Infrastruktur weiter ausgebaut werden”. Dafür will die SPD allen Bürgerinnen und Bürgern – ausdrücklich auch in ländlichen Regionen – den Zugang zu schnellem Internet und flächendeckendem Mobilfunk als selbstverständlichem Teil der Daseinsvorsorge ermöglichen. Die Privatwirtschaft wird für diese Versorgung verantwortlich gezeichnet und soll dafür “Investitionsanreize” aus der EU-Politik bekommen.

Die Partei betont, dass die EU-Regionalpolitik “gerade auch in Ostdeutschland” für gleichwertige Lebensverhältnisse von Bedeutung sei und fordert entsprechende Fördermittel. “Doppelstrukturen in den europäischen Strukturfonds” würden abgebaut werden, “um den ländlichen Raum zielgerichteter, effizienter und unbürokratischer zu stärken”.

Aspekte der regionalen Entwicklung seien auch bei “Überlegungen zur Zukunft der Mobilität” als Teil einer “strategischen Industrie- und Strukturpolitik” beachtet werden, gleichermaßen wie Aspekte der Energiewende und Innovationsförderung. In einem kurzen Absatz erwähnt die Partei außerdem die Bedeutung der Buchpreisbindung, die “qualitativen Wettbewerb zwischen kleinen Buchläden auch auf dem Land mit monopolistischen Verkaufsplattformen im Internet” sichert und deshalb geschützt werden müsse.

Agrarförderungen sollen an neue Kriterien gebunden werden, “die den Menschen in den ländlichen Betrieben, den ländlichen Regionen sowie dem Tier- und Umweltschutz zugutekommen”. Die SPD will Landwirtinnen und Landwirte unterstützen, da sie unter anderem zur nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume beitragen.

Hier geht’s zum Europa-Wahlprogramm der SPD

Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen “treten für ein Europa ein, in dem schwächere Regionen besonders gefördert werden” und in dem es “lebendige ländliche Räume gibt”. Die Unterstützung “strukturschwacher Regionen und Entwicklung ländlicher Räume” durch EU-Gelder wird explizit auch für die Zukunft befürwortet. Die europäische Förderpolitik könne insbesondere in Bezug auf die öffentliche Daseinsvorsorge dazu beitragen, dass verschiedenste Menschen gut in ländlichen Räumen leben und arbeiten können und so letztlich der “Siedlungsdruck auf die Ballungsräume” abgemildert werde.

Sie wollen dabei besonders regionale Wirtschaft und Wertschöpfungsketten stärken, auch weil kleinere, lokal agierende Unternehmen heute “in ihrer Existenz bedroht” seien, aber durch kürzere regionale Prozesse “oft nachhaltiger und verantwortlicher” handelten. Die regionale Infrastruktur der Nahversorgung soll erhalten werden.

Daran schließt – auf die Landwirtschaft bezogen – der Wille an, “lebendige ländliche Räume mit zukunftsfesten Betrieben zu erhalten und das Höfesterben zu stoppen”. Dafür bedürfe es einer “europäischen Agrarwende” hin zu einer “vielfältigen, nachhaltigen, regional verankerten, bäuerlichen Landwirtschaft”. Die Agrarförderungen der EU würden bisher vor allem die Industrialisierung der Landwirtschaft begünstigen, was der “Anforderung, eine nachhaltige, klimaschonende und für Bäuer*innen auskömmliche Landwirtschaft und damit lebenswerte ländliche Regionen zu fördern”, nicht gerecht werde. Aus diesem Grund fordert die Partei eine Umstellung der Gelder auf “Klimaanpassung, Umweltschutz und Tierwohl”.

Besonders wichtig ist ihnen auch mehr Selbstbestimmung und eine Stärkung der Kommunen: “Die Förderpolitik muss die Vielfalt ländlicher Regionen in Europa abbilden und den Regionen bei der Mittelverwendung möglichst viel Entscheidungsfreiheit lassen.” Die EU solle dort eingreifen, wo “Kommunen an ihre Grenzen stoßen” und dabei “Hand in Hand” mit den Kommunen arbeiten. So soll die “Vergabe öffentlicher Aufträge gerade für Kommunen und kleinere Projekte” vereinfacht werden, es soll einen “einfachen, direkten Zugang zu Fördermitteln geben”. Außerdem streiten die Grünen für “Energie in Bürgerhand”:  Energieerzeugung soll nicht nur von Großunternehmen, sondern auch von Genossenschaften, Kommunen etc., organisiert werden können. 

Ebenso sei eine “starke Rolle von Kommunen und Regionen” im Sinne einer “nachhaltigen, umfassenden örtlichen und regionalen Mobilitätsstrategie” förderlich. Auch auf dem Land sollen die Menschen “schnell, sicher und emissionsfrei von A nach B kommen”. Deshalb setzen sie sich für eine “bessere Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsträger” ein und wollen mit “alternativen, sauberen Antriebe”, “digitaler Technik und kluger Stadtplanung” eine neue Qualität der Mobilität in Europa durchsetzen. Regionen sollen im Rahmen von Förderwettbewerben motiviert werden, den Autoverkehr gezielt einzudämmen.

Hier geht’s zum Europa-Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen

Die Linke

Die Linke setzt sich für “ein europäisches Programm ein, durch das der ländliche Raum attraktiv wird.” So soll unter anderem “der Druck von Städten im Hinblick auf bezahlbaren Wohnraum genommen werden.” Die Partei sieht dafür eine “infrastrukturelle Anbindung des ländlichen Raums” vor. Der Zugang zu “guten Leistungen der Daseinsvorsorge” soll flächendeckend gewährleistet sein: “von der Gesundheits- zur Breitbandversorgung, von der Bildung bis zur solidarischen sozialen Sicherung.”

Detaillierter ausgeführt werden die Forderungen zur medizinischen Versorgung und zur Mobilität in ländlichen Regionen: Jeder Mensch in der EU soll unabhängig vom Wohnort Zugang zu “gut ausgestatteten, barrierefreien und gemeindenahen Gesundheitsleistungen” haben. Auch die Mobilität, insbesondere der öffentliche Nahverkehr, soll flächendeckend und bezahlbar bzw. kostenlos werden. Weiterhin gibt es laut der Linken viele gute Modellprojekte von einzelnen Kommunen zur Reduzierung der Verkehrs durch regionale Ansätze, von denen gelernt werden könne.

Generell fordert die Partei, dass die Bevölkerung vor Ort stärker in Entscheidungen einbezogen wird: “Was in der Kommune gemacht wird, soll auch dort entschieden werden.” Die Partei setzt auf regionale Wirtschafts- und Energiekreisläufe und “steht für eine dezentrale, in den Regionen verankerte Energiewende”. Statt in der “Hand von Konzernen” sollen die Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser bei “Bürger*innen, Kommunen und Genossenschaften” liegen. Weiterhin will die Linke eine Digitalisierungsstrategie, die “bis hinein in jede einzelne Kommune geht” und von der “öffentlichen Hand” umgesetzt wird.

Die Linke kritisiert in ihrem Wahlprogramm die wachsende Ungleichheit zwischen den “Regionen in der EU und innerhalb Deutschlands”, eine “neoliberale” Wirtschaftspolitik fördere nur “Wettbewerbsfähigkeit statt regionale, nachhaltige und sozial gerechte Entwicklung.” Um gleichwertige Lebensverhältnisse auch in “strukturschwachen Regionen (bzw. Regionen mit absehbarem Strukturwandel)” sicherzustellen sollen Investitionen schwerpunktmäßig hierher gelenkt werden. Hier sollen “regionale, nachhaltige und demokratische Formen des Wirtschaftens Vorrang haben” vor dem Aufbau “öffentlich-privater Partnerschaften”.

Hier geht’s zum Europa-Wahlprogramm von Die Linke

AfD

Die AfD misst insbesondere der Landwirtschaft große Bedeutung für den “Erhalt der ländlichen Räume” bei. Sie trage zur “Wertschöpfung, der Schaffung regionaler Arbeitsplätze und zur Versorgung der Bevölkerung” bei. Eine Subventionierung seitens der EU sei bis auf Weiteres nötig, da sonst “in einem freien globalen Wettbewerb” der “Bauernstand aus Deutschland verschwinden” würde. Berücksichtigt werden sollen dabei auch die “weiteren Leistungen kleiner Familienbetriebe”. Regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse will die AfD unterstützen.

In Bezug auf europäische Förderungen verlangt die Partei weiterhin eine “Entflechtung der Aufgaben Forschungsförderung, Wirtschaftsförderung und Regionalförderung” sowie eine “Rückführung der Budgets in nationale Verantwortung”, um die Mittel “effektiv im Sinne der Bürger zu verwenden”. Auch die Förderprogramme für den ländlichen Raum sollen laut dem Wahlprogramm der AfD “zurückgeholt” werden, um so die “deutschen Mittel auf nationaler und regionaler Ebene zielgerichtet und effizient einzusetzen”.

Weiterer Schwerpunkt des Programms hinsichtlich ländlicher Räume ist die medizinische Versorgung: “Einer fortschreitenden Unterversorgung im ländlichen Raum muss entgegengewirkt werden.” Dazu soll der “gesetzlich verankerte Sicherstellungsauftrag der öffentlichen Hand auch bei dieser verbleiben.” Die AfD betont, dass gerade in strukturschwachen Regionen die ortsansässige Apotheke oder der Arzt “zu den wesentlichen Voraussetzungen für eine regionale Strukturpolitik gehören” und fordert deshalb den Erhalt inhabergeführter Apotheken.

Hier geht’s zum Europa-Wahlprogramm der AfD

FDP

Die FDP setzt auf die Modernisierung der “vielfältigen ländlichen Räume”, durch die “Europa geprägt ist”. “Bestmögliche kommunikative Infrastruktur” brauche es “nicht nur in Ballungszentren, sondern auch in ländlichen Räumen”, um Europa in Zeiten der “digitalen Transformation” zukunfts- und wettbewerbsfähig zu gestalten.

Um “Voraussetzungen für bestmögliche Entwicklungen zu schaffen”, sollen in der Regionalpolitik andere “Zieldimensionen” gelten: Schwächere Regionen sollten “subsidiäre Unterstützung” erhalten, um ein “Minimum an ökonomischer und sozialer Leistungskraft vor Ort” zu halten und zu entwickeln. “Regionen mit Entwicklungspotenzial” sollen dagegen explizit gestärkt werden. Die FDP will die geförderten Regionen wirtschaftlich entwickeln und strebt deshalb eine Stärkung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) an, der sich noch stärker “auf die strukturellen Ursachen von Wachstumsschwächen und Innovationshemmnissen konzentrieren soll”.

In Bezug auf digital vernetzte Mobilitätsangebote wird die Partei ganz konkret:  Sie erachtet “offene, standardisierte Plattformen mit einheitlichen Schnittstellen” für nötig und unterstützt Sharing und “Mobility-on-Demand”-Angebote “auch im ländlichen Raum” sowie Park-and-Ride-Angebote.

“Zusätzlich zur infrastrukturellen Förderung ländlicher Räume” sollen landwirtschaftliche Betriebe unterstützt werden, “schrittweise unabhängig von Fördermitteln zu werden”. Dem Strukturwandel in der Landwirtschaft will die FDP mit einer marktwirtschaftliche Modernisierung der Europäischen Agrarpolititk begegnen, nicht zuletzt, um die “vielfältigen Lebensräume” in Europa zu erhalten.

Hier geht’s zum Europa-Wahlprogramm der FDP

Also dann, ab an die Wahlurnen!

Fotocollage: Laura Heym / Adam Morse on Unsplash / Shutterstock