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Vom 13. bis 26. Mai 2019 veranstaltet der Kulturpark Stolpe das “Concrete Transformation Festival” im Betonwerk Stolpe. Unsere Autorin Franka Kohler hat mit Co-Organisatorin Nadine Binias gesprochen.

Innovation im Interview

Gastautorin: Franka Kohler

Vom 13. bis 26. Mai 2019 veranstaltet der Kulturpark Stolpe das “Concrete Transformation Festival” im Betonwerk Stolpe. Unsere Autorin Franka Kohler hat mit Co-Organisatorin Nadine Binias gesprochen – über die Region und ihr Potenzial, über das Festival und die Beweggründe dahinter und über ihren eigenen bevorstehenden Umzug von der Stadt aufs Land.

Nadine, wer bist du und wieso engagierst du dich für das Thema Land?

Ich heiße Nadine Binias und betreibe seit 16 Jahren eine Agentur für Bioprodukte in Berlin. Vor etwa sechs Jahren war ich das erste Mal eher zufällig in Stolzenhagen und war sofort fasziniert von dem, was ich dort fand: Die Mischung aus Dorfstruktur, Natur und Kreativität. Noch in diesem Sommer fuhr ich so gut wie jedes Wochenende raus nach Stolzenhagen, um dort mitzuarbeiten, Zeit zu verbringen und den Sommer zu genießen. Bald wurden die Menschen, die ich dort traf, zu Freunden und es dauerte nicht lange, bis die Entscheidung fiel, ganz nach Stolzenhagen zu ziehen. Vor diesem Schritt stehe ich nun – Nächste Woche ziehen wir um! Für das Thema Land interessiere ich mich aus meiner persönlichen Suche nach Lebensqualität, vor allem aber aus einer politischen Motivation heraus: Es fasziniert mich, welche Relevanz das Thema Land in Bezug auf Politik und Gesellschaft hat. Das ist meine Hauptmotivation, mich dafür zu engagieren, es ist sozusagen mein Beitrag zur Gesellschaftsveränderung.

Und was ist der Kulturpark Stolpe?

Das alte Betonwerk in Stolpe ist ein 4,5h großes Gelände, das Uli Kaiser und Saliq Savage 2016 gekauft haben. Das passende Unternehmen dazu haben sie Kulturpark Stolpe GmbH genannt und das gibt schon einen Eindruck, was aus dem Gelände mal werden könnte. Es liegt direkt am Oderkanal bzw. am Oder-Neiße-Radweg mitten im Nationalpark Unteres Odertal inmitten der allerschönsten Landschaft.

Außengelände Betonwerk Stolpe

Auf diesen 4,5 Hektar wollen wir einen Ort erschaffen, der beispielhaft ist für ein nachhaltiges, soziales und kulturell facettenreiches Zusammenleben und Arbeiten. Gemeinsam mit den Anwohnern, Akteuren aus der Region und Impulsen aus Berlin transformieren wir das Betonwerk in Stolpe am Oderkanal von einer Industriebrache zu einer konkreten Utopie. Derzeit sind dort mehrere große Produktionshallen zu finden, eine kleine Herberge und drei aktuelle Mietparteien, darunter ein Bio-Café und ein Bühnenbauer.

Die Eigentümer des Kulturparks befinden sich aktuell in einer Findungs- und Planungsphase für die Zukunft des Geländes. Das Concrete Transformation Festival soll alle bisherigen Ideen und Gedanken sichtbar machen und über zwei ganze Wochen die aktive Beteiligung von Interessierten ermöglichen.

Erzähle uns mehr über das Concrete Transformation Festival!

Das Concrete Transformation Festival ist ein zweiwöchiges Zusammenkommen, um sich über die Zukunft des Betonwerks auszutauschen. Es geht darum, herauszufinden, was genau mit den alten Hallen und Gebäuden passieren soll. Dafür finden verschiedene praktische und theoretische Zukunftswerkstätten statt, wir bauen, kreieren ein Regionalmagazin, räumen auf und sprechen über das Konzept der Transformativen Zelle. Das Festival findet im Rahmen der längerfristigen Förderung eines Forschungsprojekts der Robert-Bosch-Stiftung statt.

Was genau bei dem Festival passieren soll? Es gibt spannende Workshops, Konzerte und Performances und viel Raum für Begegnung und Austausch. Es gibt auch mehrere Bauprojekte. Zum Beispiel ein durch die Architektur früherer Amphitheater inspiriertes Forum aus herumliegenden Betonteilen. Die zu bewegen war nicht nur ein spektakulärer Anblick, sondern auch ein Zeichen, wie aus Dingen, die es schon gibt, Neues erschaffen werden kann, das Menschen zusammenbringt und eine gute Grundlage erschafft, wie neue Ideen entwickelt und umgesetzt werden können.

Außerdem haben wir alte Bilder, Pläne und Fotografien zusammengetragen, um zu dokumentieren, welche Ideen es schon gab und gibt für eine Nutzung des Betonwerkes. Diese Objekte haben wir in einer „evolutionären Ausstellung“ zusammengetragen, die die Grundlage bietet für die Ideenentwicklungs-Workshops kommendes Wochenende. Diese „evolutionäre Ausstellung“ soll auch über das Festival hinaus dort bleiben.

Mit dem festival-ähnliches Charakter des Events wollen wir dazu beitragen, dass das Thema „Stadt-Land-Transformation“ nicht nur theoretisch und in kleinem Kreis beleuchtet wird, sondern von einer bunten Mischung und großen Bandbreite von Menschen praktisch beleuchtet, erlebt und lebendig gemacht wird.

Wen wollt ihr mit dem Concrete Transformation Festival ansprechen?

Menschen aus dem Dorf, der Region, aber auch auch der weiteren Umgebung und natürlich aus Berlin. Der Trend zur Stadtflucht ist gerade so groß. Wir fragen uns: wer traut sich wirklich aufs Land, welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? Wir haben den Platz für Ideen. Und viel Experimentierbereitschaft.

Was wollt ihr damit bewegen – Bei einzelnen Menschen, in der Region, in der Gesellschaft?

Wir möchten vor allem, dass das Gelände sinnvoll genutzt wird. Wer was für sinnvoll hält, lässt sich nur herausfinden, wenn man miteinander spricht. Wir möchten also Gelegenheiten schaffen, ins Gespräch zu kommen. Ob wir etwas bewegen können, wird sich zeigen. Vielmehr können wir einen Raum dafür schaffen, es erfordert immer noch das Engagement vieler anderer, um wirklich etwas in Gang zu setzen.

Darüber hinaus geht es uns vor allem um Regionalentwicklung. Unser Engagement in der Region zielt darauf ab, Kunst und Kultur zu verankern, Jugendarbeit zu machen, aber auch – und darauf habe ich besonderes Augenmerk – die Wirtschaftsperspektive der Region voranzutreiben. Nachhaltiges Wirtschaften, also eine ökonomische Entwicklung mit ökologischer Achtsamkeit, ist eine enorme Herausforderung dort wie auch in anderen ländlichen Regionen. Mit der Schließung des Betonwerkes hat die Region den letzten und einzigen großen Arbeitgeber verloren, mit weitreichenden Folgen. Wir wollen eine Möglichkeit schaffen, dass Menschen aus der Region zusammenkommen, miterleben und vor allem mitgestalten können, was dort nun passieren soll. Die Menschen sollen sich einbringen und gemeinsam herausfinden was es braucht und wie das ermöglicht werden kann. Das alles ist ein großes Experiment. Oder, wie wir es gerne nennen: Ein Reallabor.

Was ist euer Beitrag zu ländlicher Entwicklung?

Seit 20 Jahren schon ist Uli Kaiser in der Region tätig, entwickelt Ideen, schafft Räume. Zusammen mit seiner Frau Steph Maher, einer Künstlerin, hat er Kultur und Kunst durch den Ponderosa e.V. in der Gegend einen hohen Stellenwert verschafft. Das Team rund um das Forschungsprojekt, Leon Jank, Hisar Ersoez und Mathias Burke sorgen für eine strukturierte, theoretische und praktische Herangehensweise an die Fragestellung der ländlichen Entwicklung und unterstützen den Kulturpark Stolpe damit erheblich bei der Entwicklung.

Ich persönlich sorge für Ideen zu Formaten, die Zugezogene und Dorfbewohner zusammenbringen, z.B. mit meinem jährlichen Musikfestival Gut Music oder dem Workshop zur Entwicklung eines Regionalmagazins, der in Zusammenarbeit mit dem transform Magazin stattfindet.

Was ist eure Arbeitsweise, wie seid ihr organisiert, und was ist deine Rolle dabei?

Das alte Betonwerk ist im Besitz der Kulturpark Stolpe GmbH. Ob das so bleibt oder ob eine Genossenschaft oder eine ganz andere Organisationsform gegründet wird, ist noch offen und die Lösung Teil des Prozesses, der gerade läuft. Intern wird das Projekt getragen von den Eigentümern, dem Team des Forschungsprojekts und mir als Freelancer, die für Netzwerk, Kommunikation und Projektentwicklung verantwortlich ist.

Wenn du es dir wünschen könntest, wie sähe Stolpe in 20 Jahren aus?

Da ich in den Nachbarort Stolzenhagen ziehe, habe ich natürlich ein ganz persönliches Interesse daran, was nebenan passiert und wer in Stolpe leben und arbeiten wird. Ich wünsche mir ein Gelände mit Minimuseum, kleinem bis mittelgroßem Handwerk und Produktion, Räume für Sport und Bewegung, eine Anlege- und / oder Badestelle, Arbeits- und Wohnraum. Wenn es nach mir geht, alles unter dem Aspekt höchstmöglicher Umweltschonung und Nachhaltigkeit als wichtigstem Wert. In 20 Jahren ist Stolpe belebt, die Menschen fröhlich und die Alteingesessenen hochzufrieden mit dem Projekt Kulturpark.

Informationen über das Concrete Transformation Festival findet ihr auf https://transform-stolpe.de, sowie auf Facebook unter https://www.facebook.com/events/834145966921718/ und auf Instagramm unter https://www.instagram.com/concretetransformationfestival/.

Das Gespräch mit Nadine Binias führte Franka Kohler am 23.05.2019.

Titelbild: Kristofer Fichtner

Beitragsbilder: Gabriele Gruchmann